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Predigt zum 2. Sonntag nach Epiphanias, Lesereihe
IV, 16.01.2000
(von Tilman Reinecke)
TXT: 1. Kor. 2, 1 - 10
Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit
hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein
Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und
in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt
geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern
in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf
Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Wovon wir aber reden, das ist
dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt,
auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von
der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt
hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern
dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten
sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern es ist gekommen,
wie geschrieben steht: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört
hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen,
die ihn lieben.« Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist;
denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.
Liebe Gemeinde!
Texte wie dieser machen es uns schwer. Sie richten unseren Blick auf
ein Bild des Schreckens, einen gekreuzigten Menschen. Nicht von Auferstehung
ist hier die Rede, nur vom Kreuz. Und diese Worte scheinen deutlich zu
machen: Die Botschaft paßt nicht in die Welt, vom Zittern und Zagen
ist die Rede und davon, daß das mit der Weisheit der Welt nichts
gemein hat. Weltfremd erscheint das Christentum. Und es ist wahr: Zur Zeit,
als Paulus diese Worte schrieb, da grenzten sich die Christen von der Welt
ab: Sie machten nicht mit, was alle machten, huldigten nicht der regierenden
Macht. Und wie wir ja wissen, brachte ihnen das große Konflikte.
Christus nachzufolgen, das bedeutete oft Nachfolge in Kreuz und Tod. Warum
konnten Menschen das damals überhaupt ertragen? Waren sie Fanatiker.
Sie hatten sich von der Welt und ihren Interessen gelöst. Anderes
war wichtiger geworden. Eine andere Freude war in ihnen. Darum redet Paulus
vom Geist. Und das meint nicht irgendwelche klugen Überlegungen, sondern
einen Hauch aus dem ewigen, der sie angerührt hatte. Nun sahen sie
das Kreuz anders. Den Tüchtigen, denen ihre Welt und ihr Leben wert
war, mußte es als nutzlos, als abstoßend erscheinen. Schwachheit,
von der Paulus redet, das ist doch nichts wert, und schon gar nicht, wenn
es einem das Kreuz bringt. Doch ihnen war etwas anderes wichtiger, der
Hauch Gottes, der sie berührt hatte. Außerdem darf man wohl
nicht vergessen, daß man zur Zeit des Paulus fest mit der baldigen
Wiederkehr Jesu auf diese Welt zur Erlösung rechnete. Daß es
einmal ein Jahr 2000 geben könnte, an so etwas hätten sie nicht
gedacht.
Solche Gedanken können uns erst einmal einen Schrecken bereiten,
weil wir doch eigentlich ein Interesse daran haben, von Christus in unserer
Zeit zu reden, die Menschen zu ihm zu locken, den Glauben schmackhaft zu
machen. Das Image der Kirche ist oft weltfremd genug. Das kann man gut
merken, wenn man davon zu reden versucht. Wenn wir aber nun diese Worte
nicht einfach beiseite legen wollen, dann fragen und forschen wir danach,
was sie uns sagen könnten.
Sie können uns erst einmal entlasten. Gott verantwortet seine
Botschaft selbst. Es wird nicht daran liegen, wie wirksam wir für
die Botschaft werben. Klug sollten wir wohl auch sein, nach unserem Wissen
und Gewissen gut vom Glauben zu sprechen. Paulus wird davon reden, daß
da auch jeder seine Begabung hat. Zeitgemäß sollte unser Reden
von Gott auch sein, daß wir versuchen, uns verständlich zu machen.
Nur wird es letztendlich nicht an uns liegen, was daraus wird. Möglicherweise
stehen wir dem Glauben auch manchmal selbst im Wege. Es wird Gottes Geist
sein, der die Menschen ruft, anrührt. Wichtig für uns wird sein,
daß wir selbst bereit sind, uns anrühren zu lassen.
Die Worte des Paulus könnten uns trösten. Das Kreuz erscheint
uns ja in verschiedener Gestalt: Es ist erst einmal das Kreuz Jesu Christi.
Sein Glaube und seine Liebe bringen ihn ans Kreuz. Man könnte es auch
so sagen: Gott scheitert in der Welt, scheitert an ihren Machtinteressen,
an ihrer Lieblosigkeit. Und wenn wir auf uns selbst schauen, dann sind
wir daran auch beteiligt in unserer Unvollkommenheit. Und dennoch bleibt
er der Welt treu, bleibt auch uns treu. Das aber ist eine Erfahrung des
Glaubens, wie ein Geheimnis. Doch viele können aus ihrem Leben sagen,
wie es ihnen geschah.
Das Kreuz begegnet uns in dem Leid, das wir erleben, das auf
der ganzen Welt erlebt wird. Und daran kann man schon verzweifeln, kann
Angst erleben. Doch eine andere Freude kann es trotzdem geben. Wir sind
ja in der Epiphaniaszeit, die dem Weihnachtsfest folgt. Ein Licht geht
auf trotz aller Finsternis. Und Paulus redet mit der ganzen Christenheit
von der Auferstehung. Gegen alle Verzweiflung wird vom Leben, vom Licht,
von der Freude gepredigt, die schön sein kann wie edler Wein. Geborgen
in Gott bleiben wir. Die Macht der Welt vergeht, wird unwichtig, aber nicht
die Liebe Gottes zu uns.
Es ist eine andere Weisheit. Nun verstehen wir darunter meist so etwas
Ähnliches wie Klugheit. Dem Alter trauen wir es zu, älteren Menschen,
daß sie weise sind. Einen Abstand haben sie zum leidenschaftlichen
Getriebe der Welt und von daher können sie das Leben beurteilen. Es
ist anders als die Weisheit der Welt, die das Göttliche als Torheit
betrachtet. In alter Zeit hatte die Weisheit einen Namen: Sophia. Und sie
ist eine weibliche Gestalt. Und in den alten Legenden heißt es: Wenn
Gottes Sohn zur rechten des Vaters sitzt, dann sitzt die Sophia zur Linken.
Und sie ist wie ein spielendes Kind, so anders als die Weisheit der Menschen.
Die Rede ist von einer Herrlichkeit des Lebens, die es mit Gottes Ewigkeit
zu tun hat. »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat
und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen,
die ihn lieben.« Das ist in unserer Welt wohl unsichtbar, ist ein
Geheimnis. Und wir sind immer, solange wir leben, erst auf dem Weg zum
Glauben, immer gilt es, ihn neu zu lernen in den Schmerzen unserer Zeit.
Glaube aber hält sich an Gott fest, daß sein Geist über
uns bleibt, uns tröstet im Kreuz des Lebens, daß eine Auferstehung
ist, wo es mit uns in die Tiefe geht und daß der Friede Gottes, der
höher ist als alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne bewahre in Christus
Jesus. Amen.
Tilman Reinecke
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