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Predigt zum 14. Sonntag nach Trinitatis, Lesereihe
IV, 24.09.2000
(von Tilman Reinecke)
TXT: 1. Thess 1, 2 - 10:
Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in
unserm Gebet und denken ohne Un-terlaß vor Gott, unserm Vater, an
euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld
in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus. Liebe Brüder, von
Gott geliebt, wir wissen, daß ihr erwählt seid; denn unsere
Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch
in der Kraft und in dem heiligen Geist und in großer Gewißheit.
Ihr wißt ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen.
Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort
aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im heiligen Geist,
so daß ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen
in Mazedonien und Achaja. Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen
nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer
Glaube an Gott bekanntgeworden, so daß wir es nicht nötig haben,
etwas darüber zu sagen. Denn sie selbst berichten von uns, welchen
Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott
von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott und zu
warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten,
Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.
Liebe Gemeinde!
Der 1. Thessalonicherbrief ist nach dem heutigen Stand der Forschung
das älteste Buch des Neuen Testaments, das älteste christliche
Zeugnis, das wir haben. Außerdem sind es die ältesten Worte,
die uns vom Apostel Paulus überliefert sind. Es ist der Anfang eines
Briefes, den wir hörten. Doch in diesen Grußworten ist schon
eine Fülle von Gedanken, die uns fast erdrücken kann. Gewiß,
es ist vieles zeitbedingt gewesen, was der Apostel Paulus dort schrieb.
Wenn wir aber einen Brief schreiben, dann geht uns das ja ganz ähnlich.
Sicher haben wir das schon mal erlebt, daß wir einen alten Brief
gefunden haben. Dann steigen Erinnerungen auf: Ja, so war das damals. Das
ist dann ganz interessant, nochmal alles an sich vorüberziehen zu
lassen. Aber heute ist alles anders und die Luft ist gewissermaßen
raus aus dem Brief. Denn die Ereignisse sind längst vorbei. Und dann
werfen wir den alten Brief vielleicht weg, es sei denn, er ist schon so
alt, daß wir ihn nicht mehr wegwerfen mögen.
Die Briefe der Bibel haben aber eine bleibende Bedeutung behalten.
Wir kehren immer wieder zu ihnen zurück. An sie können wir uns
halten. Da sind die Grundlagen des christlichen Glaubens. Und so viele
Glaubensrichtungen es auch geben mag. Diese Schriften sind allen gemeinsam.
In diesem Brief, da freut sich Paulus über die Gemeinde in Thessalonich
und dankt Gott für sie, weil sie sich so gut entwickelt hat, obwohl
sie erst wenige Jahre alt ist. Und wenn wir das mit unserer Zeit vergleichen,
dann scheint alles auf den ersten Blick ganz anders zu sein. Wir haben
eine Entwicklung miterlebt, die uns eher traurig stimmen kann. Es sind
weniger geworden. Es ist jetzt wohl die mittlere Generation, die nur wenige
Kontakte zur Kirche hat, und wir blicken ja auch auf fast 2000 Jahre christlicher
Kirche zurück. Doch es gibt bei näherem Hinsehen Gemeinsamkeiten.
Denn die Gemeinde, an die Paulus schreibt, ist auch klein und steht inmitten
von Menschen, die anders denken und handeln. Und die Gemeinde ist in Bedrängnis
und wird angefeindet. Aber dennoch ist Grund zum Danken, denn diese kleine
Gemeinde hat einen großen Schatz, weil sie den Glauben hat an Christus,
der vom Tode rettet und vom künftigen Zorn Gottes. Und dieser Schatz
ist im Glauben auch uns anvertraut. Wer die Kraft des Glaubens erfahren
hat, der kann davon sprechen, wieviel das wert ist. Und deswegen ist es
um aller willen, die hier in unseren Dörfern leben, gut, daß
eine Kirche ist, daß die Glocken läuten, daß wir Fürbitte
halten. Wir tun es stellvertretend auch für die, die es nicht interessiert.
Denn die schweren Fragen des Lebens stehen für alle, die Fragen von
Glück und Leid, von Leben und Tod. Und so dürfen wir dankbar
sein auch für unsere kleinen Gemeinden. Wer kann denn ahnen, welche
Wirkungen das doch hat auf die Menschen um uns herum, vielleicht erst,
wenn wir die Geduld nicht verlieren, vielleicht erst in späterer Zeit.
Wir verkünden das Evangelium, die gute Botschaft Gottes. Und doch
ist in unserem Text die Rede vom Zorn Gottes und vom Gericht, Worte, die
auch gesagt werden müssen. Nun könnten wir den Menschen Angst
machen wollen vor dem Zorn Gottes, sie das Fürchten lehren, um dann
Raum für die Gnade zu geben. Das machen die Sekten gern so. Ein Glaube,
der auf Angst gebaut ist, das ist aber kein Glaube. Wie kann man aber vom
Zorn Gottes überhaupt reden?
Der Zorn Gottes bleibt auch in vielem sicher ein Geheimnis, aber er
wird doch erfahren, erfahren in den Ängsten, die unter den Menschen
sind, Ängste vor dem Schicksal, vor Armut und Krankheit und vor dem
Tod. Wir kennen sie ja alle selbst. Sie bleiben uns nicht erspart und wir
könnten noch viele nennen. Eigentlich sind es nur verschiedene Gewänder
einer Angst, null und nichtig und unwert zu sein, verworfen auf ewig. Und
darin ist der Zorn Gottes und es geht alle an. Das kann man beiseite schieben
und schaffen und raffen, kann sich zerstreuen in den Möglichkeiten
der Welt. Und die viele Gewalt und die Kriege, die soviel Leid schaffen,
sollen den Sieg darstellen über die Angst, zu kurz zu kommen. Das
ist es, was Paulus die Abgötter nennt, die doch nur unheimliche Opfer
fordern. Und über unserer Welt schwebt die Bedrohung, daß die
Erde eines Tages nicht mehr bewohnbar sein könnte. Nein, harmlos ist
unsere Welt nicht und auch Gott nicht. Er setzt immer noch Maß und
Ziel unseres Lebens, so sehr der Mensch sich auch für klug und mächtig
hält und auf sein Können baut.
Nur was hilft wirklich dazu, trotz der Angst leben zu können und
wirklich getröstet zu werden? Eben Vertrauen, daß Gott sich
doch erbarmt über uns Menschen, über unsere Welt. Daß er
in Christus unser Schicksal mit durchlitten hat, das Unglück, das
unrecht, das geschieht. Daß Jesus gerade da Glauben bewahrt hat,
wo das ganz unmöglich schien, da geheilt hat, wo andere keine Heilung
mehr sahen, zu denen ging, die keine Chancen mehr hatten. Und er will sich
auch unserer erbarmen, wo wir Angst haben, traurig sind, ohne Macht, zu
raten und zu helfen.
Paulus lobt die kleine Gemeinde in Thessalonich wegen ihres Glaubens,
ihrer Liebe, ihrer Hoffnung. Es sind drei Worte, die immer wieder Bedeutung
haben. Der Glaube hält sich an Gott in allem, was das Leben gibt,
im Guten wie im schweren. Denn die Hoffnung ist da, daß jenseits
von allem und über uns allen die Ewigkeit Gottes ist, wo alles Leiden
endet, wo auch die aufgehoben sind, um die wir Leid tragen. Und daraus
folgt, daß wir in Liebe miteinander umgehen können. Denn wir
tragen ein gemeinsames Schicksal, stehen aber auch alle unter Gottes Erbarmen.
Auf der Seite der Menschen ist es das größte, ist es die beste
Antwort auf Gottes Erbarmen. An anderer Stelle schreibt Paulus: Nun aber
bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte
unter ihnen.
Wir verkünden Gottes Wort. Doch auch das weiß Paulus: Ob
es gelingt und ob viele es hören und bewahren, das können nicht
wir bestimmen, sondern da ist es der heilige Geist, der auf Menschen kommt.
Es kommt wohl schon darauf an, daß wir nach bestem Wissen und Gewissen
alles tun, was in unserer Kraft steht, die richtige Sprache zu sprechen,
die rechten Worte zu wählen und auch Vorbild zu sein, aber nicht wir
machen es, sondern eine andere Kraft. Um diesen Geist können wir nur
bitten. Aber immer können wir uns auch freuen. Ja, es gibt uns noch,
es gibt sie noch, unsere Kirche auf Erden, nach der Güte des Herrn.
Amen.
Kanzelsegen:
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Tilman Reinecke
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