Predigt zum 3. Sonntag nach Epiphanias, Lesereihe V, 21.01.2001

(von Tilman Reinecke) 

TXT: Joh. 4, 5 - 14
Teil 1: 
"Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern." 
(Teil 2 des Textes wird im Verlauf der Predigt verlesen.) 

Liebe Gemeinde! 
Wenn wir einen heißen Sommertag denken, dann können wir eine Ahnung von dem bekommen, womit unsere Geschichte beginnt. In Samarien ist es nur noch viel heißer. Wir stöhnen, wenn mal über dreißig Grad sind. Dort sind es um die sechste Stunde, also mittags um 12 Uhr, vierzig bis fünfzig Grad, und es ist alles trocken und staubig. Kein Lüftchen regt sich. Da wird man vom Wandern müde. Jesus erging es nicht anders. Wie erfrischend ist da schon der Anblick des Wassers. Doch auch jede Wasserlache ist warm. Ein Brunnen - eine Quelle, da ist das Wasser richtig frisch! Lebendiges Wasser! Wie angenehm, wie erlösend, die Hände in das Wasser zu tauchen und auch davon zu trinken. Da weiß man auch, was Durst bedeutet und wie das ganze Leben erfrischt wird vom Wasser. Sehr tief ist der Brunnen und Jesus hat nichts, um daraus zu schöpfen. Eine Frau kommt mit einem Schöpfeimer - wunderbar. Aber sie ist eine Frau und sie gehört dazu noch zu einem fremden, verachteten Volk. Zur damaligen Zeit unmöglich, auch beim großem Durst sich Wasser von ihr geben zu lassen, es sei denn, man ist schon ganz am Verdursten. Und so stellt dann die Frau ihre Frage: "Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau?" Man könnte wohl vermuten, daß Jesus nun sagt. Gib mir trotzdem zu trinken, denn ich bin müde und durstig. Aber es kommen nun jene merkwürdigen Verse, die zweite Hälfte unseres heutigen Predigttextes: 

"Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt." 

Wenn wir sie betrachten, dann sind sie zunächst wie Rätselworte: Dem bibelerfahrenen Christen sagen sie bald: Alles, was ihr hier hört, hat einen anderen Sinn, es ist vom ewigen Leben die Rede. Jesus kann ewiges Leben geben. Das Wasser hier kann doch nur auf Zeit Durst stillen. Gottes Sohn bringt das ewige Leben. Nicht Jesus muß um etwas bitten, sondern die Frau müßte Jesus bitten. Er kann es ihr geben. Das Heil und das ewige Leben gelten nicht nur Männern oder nur Juden, sondern allen Menschen, jener Frau am Brunnen, allen Frauen und Männern heute. Das ist die Zusage. Aber wenn wir so sprechen, dann haben wir wohl Richtiges gesagt. Es ist wie eine Formel. Aber es bleiben ganz andere sehr wichtige Fragen offen. Immer wieder merkt man: Wenn man das so zu Menschen sagt, die dem Glauben fremd sind, dann erntet man vielleicht nur ein Schulterzucken, auch wenn die vielleicht gar nicht kirchenfeindlich sind. Vom ewigen Leben aber muß man wohl anders reden, denn es ist ja noch nicht sichtbar für uns. Wir können von Jesus und vom Johannesevangelium Neues lernen. Die Worte, wie sie dort stehen, packen uns eigentlich bei unserem Innersten, nämlich bei unseren tiefsten Bedürfnissen: Viel hat die Menschheit erreicht, aber wir bleiben bedürftig vom Augenblick unserer Geburt bis zum Ende des Lebens: Luft zum Atmen, Essen und Trinken, das brauchen wir lebensnotwendig. Ganz normaler Durst ist schon was ganz Schlimmes. Drei Tage kann es der Mensch nur aushalten, ohne zu trinken. Wir wissen von Ländern, in denen das Wasser knapp ist und diese Knappheit gefährdet dort die Existenz der Menschen. 
Durst ist aber darüber hinaus ein Ausdruck dafür, daß wir Verlangen haben nach allem, was das Leben erfrischt, erneuert, nach allem, was belebt, die Freude am Leben steigert. Und in vielem fühlen sich Menschen in der Öde, verlangen nach Erfrischung, Erneuerung im Leben, glücklicher, gesünder, stärker und vor allem geliebt zu sein. Das sind unsere eigentlichen Wünsche und Sehnsüchte. Und das Wasser des Lebens soll kein fades Wasser aus einer Pfütze sein, sondern das frische aus dem Brunnen. Doch der ist tief wie der Brunnen der Seele und möglicherweise dunkel und verborgen. Aus ihm ist das Wasser des Lebens zu schöpfen. (Die Schöpfung, so reden wir, wenn wir von der Erschaffung des Lebens sprechen. Auch hier ist davon die Rede, daß etwas aus dem Wasser gezogen wird. "Der Geist Gottes war auf dem Wasser, sagt das erste Kapitel der Bibel.) 
Alles, was wir so aus den Brunnen unserer Welt schöpfen, das erfrischt und macht satt nur auf gewisse Zeit und es kann schal werden. Aber Jesu Wasser des Lebens, das er gibt, das ist anders, ist mehr als das Wasser aus dem Brunnen Jakobs. Es gibt Erfüllungen im Leben, wo man nicht nach mehr verlangt. Dann ist das Leben gefüllt, erfüllt, vergnügt. "Vergnügen" kommt von "genügen". Mehr muß nicht sein. Solange wir aber auf Erden leben, wird etwas bleiben, wonach uns verlangt. Jenseits all dessen, aber, was wir verlangen, ist Christus, der uns Quelle sein will, neu schaffen zu ewigem Leben, ewigem Genügen, "Ver-genügen". 
Wo es aber um dieses Ewige geht, da fallen die Grenzen weg, die wir zwischen Menschen setzen, da ist es wohl nicht mehr wichtig, ob eine Frau oder ein Mann aus einer anderen Kirche oder einem andern Volk kommt, fremd ist in der Art. Das Heil Gottes, die Freude am Leben, das umgreift alle. Allen soll das ewige lebendige Wasser den Durst stillen, jenseits aller Not und Klage. Aber wir können auch etwas bewußt machen für unser Dasein: Wo Durst im Leben gestillt wird nach Leben, nach Liebe, nach echtem Genügen, da kann einer zur Quelle des Lebens werden für den andern, dahinter, darüber darin und darunter ist die Gestalt Christi, der uns Genüge geben will im Ewigen. In der Offenbarung des Johannes heißt es: Christus spricht: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 
 

Tilman Reinecke