Predigt zum Sonntag Quasimodogeniti, Lesereihe V, 22.04.2001

(von Tilman Reinecke) 

TXT: Mk. 16,9-14: 
Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zu-erst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, daß er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. 

Liebe Gemeinde! 
Es wird eine Geschichte aus der Frühzeit der Sowjetunion erzählt. Ein atheistischer Propagandist hält eine lange Rede darüber, daß der christliche Glaube doch nun überholt sei und Religion überhaupt. Und der moderne sozialistische Mensch könne doch so etwas auf keinen Fall glauben. Dann zerrte man einen armen Priester auf das Podium, was er nun dazu noch sagen könne. Dieser rief: "Christus ist auferstanden". Und die Menge rief, wie sie es aus der Osterliturgie von Kindesbeinen an gewöhnt war: "Er ist wahrhaftig auferstanden!" Die ganze Agitation war geplatzt, war an der Osterliturgie gescheitert. So ist es uns auch uns selbstverständliches Bekenntnis: "Auferstanden von den Toten." Und in jedem Gottesdienst vergewissern wir uns dessen, wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen. 
Dennoch: Die Botschaft von der Auferstehung Jesu widerspricht ganz bewußt aller Erfahrung von uns Menschen und das nicht erst heute im Zeitalter der Wissenschaft, sondern zu aller Zeit hatten Menschen die Erfahrung des Todes, mit dem alles endet, die Erfahrung der Trauer und des Schicksals. Und immer war es ein Widerspruch zur Realität. Die Bibel berichtet uns an einigen Stellen, daß die Jünger Jesus Christus als Auferstandenen gesehen haben. Für sie war diese Wahrheit, die sie erlebt haben, so deutlich und gewiß, daß sie nicht anders konnten, als die Kunde davon über die ganze Welt zu verbreiten, zumeist sogar um den Preis des eigenen Lebens. Sehr knapp sind diese Erzählungen freilich - keine Handvoll DIN A 4 Seiten. Aber sie haben doch die Welt verändert: Immer wieder hat das Christentum der Ewigkeit des Todes widersprochen, allem Tode zum Trotz. Die Bibel erzählt aber auch: Die Jünger mußten selbst erst einen Zugang zu dieser Botschaft finden, denn auch sie sind durch Zweifel gegangen. Und unser Text erzählt auch zusammenfassend von verschiedenen Menschen und verschiedenen Zugängen. Da wird als erstes Maria von Magdala genannt. Sie war Jesus in zärtlicher Zuneigung verbunden. Groß war ihre Trauer. Um den toten Leib Jesu wollte sie sich sorgen und sah dann einen Lebenden. Sie hielt ihn für einen fremden, einen Gärtner. Sie erkannte ihn erst, als er sie mit Namen ansprach. Ihre Liebe und Trauer wurde verwandelt zum Glauben. Das war die Art, wie sie überzeugt wurde. Sie erhielt den Auftrag: Sage es den anderen, die trauern. Aber die glaubten ihr nicht. Dann wird uns die Geschichte der Jünger von Emmaus vorgeführt, die ihn erst auch nicht erkannten, als sie lange mit ihm auf dem Weg in ihr Heimatdorf gingen. Als er mit ihnen dann das Brot brach, da erkannten sie ihn. Er war es, der ihnen das Abendmahl reichte. Sie sagten es den anderen Jüngern. Aber auch die konnten es nicht fassen. Schließlich erscheint ihnen Jesus selbst in der Tischgemeinschaft. Schwierig der Satz: Er schalt, schimpfte sie aus wegen ihrer Herzenshärte, nicht zu glauben. Ehe wir uns diesem Satz aber zuwenden, ist aus dem Johannesevangelium noch zu berichten von dem Jünger der Jesus lieb hatte. Er konnte unumwunden glauben, als er den Toten Jesus nicht mehr sah. Und es ist zu berichten von dem zweifelnden Thomas, der erst seinen Finger in Jesu Wunden legen mußte, um überzeugt zu sein, seinen Zugang zu finden durch die Berührung. Ihm sagt Jesus: Selig sind die nicht sehen und doch glauben. 
Zweifel und Widerspruch sind der Bibel also nicht fremd, aber es kommt auf den Zugang an, der uns möglich ist zu jenem Satz: Christus ist auferstanden! Dann aber wird uns etwas geschenkt, zu wissen, daß nichts, auch der Tod uns nicht trennen kann von Gottes ewiger Liebe und Geborgenheit. Und da werden uns verschiedene gezeigt und jeder kann seinen persönlichen Zugang finden. 
Kann es sein, daß wir durch liebevolle Trauer doch erfahren: Christus blieb nicht im Tod und auch unsere Toten sind mit ihm zusammen? Kann es sein, daß Gott uns bei Namen ruft und wir erkennen: Hinter der traurigen Realität ist eine unsichtbare ewige Liebe, die uns trägt? 
Kann es sein, daß wir erst einen langen Weg gehen müssen, ehe wir den finden, der lebt und uns das Brot bricht, daß wir erkennen: Alles was uns nährt, ist Leben aus Gottes Hand? Leben, das uns verwandelt, aus uns Menschen macht, die liebevoller miteinander umgehen und wissen, daß uns der Tod nicht ewig vom Leben trennt? 
Kann es sein, daß uns ein Glaube ohne Zweifel geschenkt wird, so wie manche im Glauben aufgewachsen sind und nie von Zweifeln geplagt wurden? 
Kann es sein, daß wir erst fühlen müssen, Berührung erfahren, uns herantasten müssen an die neue Wahrheit, um überzeugt zu werden: Da ist Leben und nicht ein ewiges Kreuz? 
Es ist oft nicht sichtbar in den Tiefen unseres Daseins unseres Leidens, aber selig, wer sich daran halten und glauben kann, wo nichts sichtbar ist? Es ist ein großes Verständnis dafür in der Bibel, daß es für uns Menschen nicht selbstverständlich ist, zu glauben, der Tod sei nicht das Letzte. Mehrere Wege aber zeigen die Evangelien zur Wahrheit. 
Hart klingen nun die Worte: Jesus schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. 
Es geht dabei aber um die Verhärtung der Herzen, es scheint ein auch ein Problem unserer Zeit zu sein. Nicht unsere naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind es, die uns am Glauben hindern, sondern die Härte, mit der Menschen, mit der auch wir öfter miteinander umgehen. Wie hart werden Menschen behandelt, wenn es ums Geld geht, wenn wir Menschen ihre Wege zum Leben nicht gönnen. An uns bleibt die Frage, ob wir unser Herz verhärten, zu totem Stein machen, oder ob wir lebendig bleiben. Dann aber könnte es einen Zugang geben zu den lebendigen Worten Jesu, der spricht: Ich lebe und Ihr sollt auch leben. Er ist auferstanden von den Toten - wahrhaftig. 
Amen.

Kanzelsegen: 
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 

Tilman Reinecke