Predigt zum Sonntag Jubilate, Lesereihe V, 6.5.2001

(von Tilman Reinecke) 

TXT: 1. Mose 1,1-2,4a: 
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.
Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, daß man das Trockene sehe. Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so. Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art, und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.
Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.
Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.
Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er ge macht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

Liebe Gemeinde!
Was wir gehört haben, ist eine der bekanntesten Geschichten der Bibel, bekannt auch vielen, die von diesem Buch sonst nichts wissen oder nichts wissen wollen. Um die ersten Kapitel hat es in den letzten Jahrzehnten einen großen Streit gegeben, der für manche auch noch nicht zu Ende ist. Die Naturwissenschaft hat ja viele Entdeckungen über die Geschichte der Menschheit gemacht. Danach ist es sehr wahrscheinlich, daß sich der Mensch aus dem Tierreich entwickelt hat. Diese Entdeckungen scheinen nun auf den ersten Blick der Erzählung zu widersprechen, die wir gehört haben. Entweder, so sagte man, ist die Welt entstanden, wie es in der Bibel steht, oder so, wie es die Naturwissenschaft sagt. Dann aber hat die Bibel unrecht. In der DDR-Zeit hat das eine große Rolle gespielt, um den Christen zu sagen: Euer Glaube ist unwahr. Weil die Bibel aber doch ein Buch der Wahrheit ist, wird immer wieder versucht, die Ergebnisse der Wissenschaft in Zweifel zu ziehen, um die biblische Botschaft als wahr zu erweisen. Der ganze Streit ist aber unsinnig. Denn es ist eine Erzählung des Glaubens. Und es ist eine Erzählung, die in ihrer heutigen Form mindestens 2500 Jahre alt ist. Aus damaliger Sicht erzählten gläubige Menschen davon, daß Gott die Welt geschaffen hat. Er ist der Ursprung allen Lebens. Und es wird von uns Menschen geredet, von jedem von uns, denn wir sind alle Gottes Geschöpfe. Wir haben das Leben nicht von uns selbst. Das Leben bleibt ein Wunder, ein Geheimnis. Und von dieser Seite des Lebens haben die Alten vielleicht mehr verstanden als wir. Sie waren nicht abgelenkt von all den Dingen, die wir heute als Menschen des Wohlstandes haben. Wenn wir uns nun dieser Erzählung weiter zuwenden, so müssen wir erst einmal sehen: Was da alles drinsteckt, das kann man in wenigen Minuten gar nicht auslegen. An Geschichten wie dieser merken wir, wie unser Sprechen weit hinter der Bibel zurückbleibt, ein Stückwerk. Vieles ist miteinander verflochten.
Beim Hören wird dem einen das eine aufgefallen sein, einem anderen ein anderes, je nach dem, was uns wichtig erscheint. Deshalb müssen wir uns auf einige wenige Gedanken beschränken.
Es ist von einem Anfang die Rede. Da ist nur Gott allein da. Weiter nichts. Und er schafft alle Dinge. Er hat uns geschaffen.  Und er spricht, und es geschieht. In Gottes Mund ist das Wort etwas anderes als bei uns Menschen. Bei uns gibt es ja den Unterschied zwischen Sagen und Tun. Und die Erde war wüst und leer. "Und der Geist Gottes schwebte auf der Fläche der Wasser." Es ist ein ganz unheimliches Bild. Es ist ganz finster in der Tiefe. Wir können ahnen, wie wir Angst bekommen würden, wenn wir da wären. Im hebräischen Text ist aber hier von Gott als einer Mutter die Rede. Denn wenn wir das genau übersetzen, dann heißt es: Der Geist, und das ist ein weibliches Wort, brütet auf dem Wasser, brütet wie ein Vogel. Und da spricht Gott: "Es werde Licht." Und da vergeht die Angst, es wird hell. Das Licht wird Tag genannt und die Finsternis Nacht. Und es war sehr gut. Ein großes Tagewerk: "Es wurde Abend und es wurde Morgen, der erste Tag". Das ist ja eine Ordnung, auf die wir uns verlassen und verlassen können, daß uns dieser Wechsel gegeben ist: Wo ein alter Tag aufhört, da fängt ein neuer Morgen an, von neuem.
Der zweite Tag hat es nun aber eine besondere Bedeutung: Himmel und Erde werden geschieden, so wie am ersten Tag das Licht von der Finsternis. Und hier kommen wir Menschen schon in bestimmter Weise vor. Denn hier wird gezeigt: Schöpfung heißt: Trennen, unterscheiden. Denn wenn Gott die Welt und den Menschen schafft und das wollte er ja, dann ist er nicht mehr allein, dann ist plötzlich etwas anderes da, ein Zweites. Und immer haben wir diese Zweiheit und in allem: Licht können wir nicht denken ohne Finsternis, schwarz nicht ohne weiß, ja auch Freude nicht ohne Leid. Die hebräische Bibel hat das in besonderer Weise ausgedrückt. Sie fängt nämlich mit dem Buchstaben Bet an, der unserer 2 ähnlich sieht. (Eine Tafel mit dem hebräischen Bet und eine mit der arabischen "2" wird gezeigt.) Am Abend jeden anderen Tages wird es heißen: "Und Gott sah, daß es gut war." Am zweiten Tage aber wird es nicht gesagt. Denn der Mensch erlebt das ja auch als so leidvoll, was mit der zwei zusammenhängt, die wohl die Zahl der Schöpfung ist aber auch der Trennung, der Zwietracht, des Zweifels des Dazwischenliegens. In allen diesen deutschen Worten steckt schon die Zwei.
Pflanzen und Tiere werden geschaffen, ein jedes nach seiner Art. Gott ordnet und sein Schaffen ist Ordnen für Mensch und Tier und auch die Zeit wird geordnet. Sonne und Mond umkreisen den Erdkreis. Wohl ist es Zeit, die vergeht, aber es ist auch Zeit, die wiederkehrt und es ward Abend und es ward Morgen, Jahr um Jahr.
Am 6. Tage werden die Tiere des Landes geschaffen und der Mensch. Damals wußte man wohl schon sehr gut, daß wir mit den Wesen der Natur verwandt sind, weil das Leben in aller Natur aus derselben Quelle, aus Gott kommt. Doch der Mensch ist etwas Besonderes: "Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und schuf sie als Mann und Frau". An diesen Worten gibt es viel zu rätseln. Es ist die Bestimmung, der Beruf des Menschen, Bild Gottes zu sein, das Leben zu verwirklichen, das Gott will. Doch kann er das nicht allein. Er kann es nur in dieser Zweiheit, des Männlichen und des Weiblichen. Und darin ist die ganze Sehnsucht, die die Menschheit beschäftigt, daß alles Männliche sich hingezogen fühlt zum Weiblichen und alles Weibliche zum Männlichen, als suche man die andere Hälfte und erst da ist die Vollständigkeit, die Gott in sich trägt. Und der Mensch bekommt den Auftrag, die Erde sich nutzbar zu machen und sie zu füllen. "Und Gott sah an, alles, was er gemacht hatte und siehe, es war sehr gut."
Darin ist die Schöpfung vollendet. "Und Gott ruhte am 7. Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte." Es ist die Ruhe ein Geschenk das man in heutiger Zeit nicht genug preisen kann, in der alles auf Verdienen aus ist. Vielleicht müssen wir es wirklich lernen, inne zu halten, um zu schauen, zu sehen, wie schön Gottes Schöpfung ist. Denn im Grunde ist das ein Lobgesang auf das, was Gott getan hat, ein Lobgesang der ja mit dem Sieg Christi über den Tod und für das Leben zusammenklingt, den wir jetzt nach Ostern feiern.
Was aber tut der Mensch mit dieser Schöpfung Gottes, die ihm als Geschenk anvertraut ist? Wir gehen mit der Erde um, als hätten wir eine zweite. Denn Herrschaft heißt allemal Dienst und Pflege an ihr. Viele Konzepte werden immer wieder entworfen, um die Umwelt zu retten. Doch kann man schon verzweifeln an der Ohnmacht der Konzepte. In einer Weissagung der Cree, das ist ein Indianerstamm heißt es: "Erst wenn ihr den letzten Baum gerodet, den letzten Fisch gefangen und den letzten Fluß vergiftet habt, werdet ihr merken, daß man Geld nicht essen kann."
Aus der Sicht des Glaubens wäre der erste Schritt die Erkenntnis, daß wir Gott im Tiefsten und auf geheime Weise verwandt sind.
Das zweite ist das Gedenken daran: Am 8. Mai denken wir an das Kriegsende, auf 57 Jahre des Friedens in unserem Land können wir zurückblicken. Wenn ich nun zu Ihnen darüber spreche, so tue ich es als einer, der das nicht erleben mußte, der nie eine Uniform tragen mußte. Viele, die es erlebt haben, haben sehr leidvolle Erinnerungen an jene Zeit. Wohl gibt es eine Schuld der deutschen Volkes, das von einem bösen Geist verführt, den Krieg begann. Unzählige Opfer hat der Krieg gekostet, unendliches Leid ist dem jüdischen Volk zugefügt worden. Doch sind auch Menschen unseres Volkes zu Opfern geworden, die Soldaten, die Mütter, die um ihre Söhne weinten, alle, die um ihre Lieben trauern mußten, auch die, die auf die Flucht gehen mußten. In allem, was wir aber im Gedenken an das Kriegsende sagen: Von der Last des Krieges und des Faschismus sind wir befreit. Laßt uns dafür wirken, daß der Faschismus, der mörderische, widerliche Haß keinen Boden bei uns findet. Hitler träumte davon, daß er unter Menschen das Gesetz des Stärkeren durchsetzen könnte, das er in der Natur zu sehen vermeinte. Darum wollte er die zehn Gebote, die er für ein jüdisches Produkt hielt, abschaffen. Ja, dieses Gesetz scheint ja auch zu gelten, daß das Stärkere überlebt. Doch selbst in der Natur gibt es das, daß das Schwächere bewahrt wird. Und es ist der Lebensauftrag von uns Menschen, zu erkennen, daß Gottes Gesetz mit seiner Schöpfung doch ein anderes ist, zu erkennen, daß wir verwandt miteinander sind, die wir aus Gottes Hand kommen, einander auch mit echtem Mitleid zu begegnen und mit Liebe, die  Schwachen zu schützen, denn so heißt es auch: "Gott hat das Schwache erwählt."
Johannes wird später in seinem Evangelium schreiben: Am Anfang war das Wort. Er will damit sagen: Da war Gott und es war damals schon derselbe, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Und der Herr über die Gewalten der Natur, ist ein gnädiger Gott. Und der Anfang ist auch immer der Beginn unseres eigenen Lebens, aus der Hand des gnädigen Gottes, der uns wohl durch die Tiefen führt, wo die Finsternis ist, aber der es Licht werden lassen will für uns. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Tilman Reinecke