Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis, Lesereihe I, 10.08.2003

(von Tilman Reinecke) 

TXT: Mt 5,13-16: Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als daß man es wegschüttet und läßt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
 

Liebe Gemeinde!
Das Salz ins Gerede gekommen. Für Blutgefäße ist es ungesund. Andererseits schmeckt manches nicht ohne eine Priese Salz. Wie dem auch sei, hat das Salz für die Geschichte auch unseres Landes große Bedeutung gehabt. Städte wie Leipzig und Halle oder Salzwedel sind dadurch geprägt und auch reich geworden. Solche Gedanken aber liegen den Worten Jesu fern. Seinen Jüngern ruft er zu: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid es als Gemeinde. Nicht: Ihr könntet es sein, nicht: Ihr solltet es sein, nein: Ihr seid es! Und nicht nur den Jüngern ruft er es zu, sondern allen, die ihm zuhören, den Kranken, die er heilte, denen die er selig oder glücklich nannte. Und da wir sie heute hören, sollen sie auch uns gelten.
Wenn wir uns vortasten wollen zu der Bedeutung dieser Worte, dann können wir damit beginnen zu suchen: Was haben denn Salz und Licht gemeinsam? 

Es ist zunächst das Verwandelnde: Eine Priese Salz: Das verwandelt eine ganze Speise. Ein kleines Licht, eine Kerze, verwandelt absolute Finsternis in Helle, ja verwandelt uns, die wir im Dunkeln wie blind sind, zu sehenden Menschen. Eine kleine Schar war die erste Christenheit, erst kaum auffällig. Und doch macht Jesus den wenigen Mut: Weil ihr wie Salz seid, könnt ihr das ganze verwandeln, die ganze Welt, und wenn euer Licht leuchtet, dann wird es einen Schein geben über die ganze Welt. Und das besondere an diesem Wort: Ihr, meine Jünger in der Welt seid es selbst. Wir sind an Bibelworte gewöhnt, die Jesus Christus als das Licht der Welt bezeichnen. Hier aber spricht Jesus die Christen an: Ihr könnt selbst leuchten, ihr könnt selbst Würze sein. Freilich: Das Licht wird erst freigelegt durch die Begegnung mit seiner Liebe, mit seinem Menschsein, in der Begegnung mit Gott. Aber es ist etwas, das von den Christen ausgeht, von uns ausgehen kann. Das hat seinen Grund: Alle sind wir Gottes Geschöpfe, kommen aus ihm; in der Apostelgeschichte heißt es: In ihm leben, wirken und sind wir. Oder in einem Jesajawort: Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. So tragen wir eigentlich das Licht des Lebens in uns, weil Gott uns auf dieser Welt haben wollte.

Die beiden Worte vom Salz und vom Licht haben noch weiteres gemeinsam: Es besteht die Möglichkeit, daß das Salz kraftlos und dann auch wertlos wird. Und: Wenn man ein Licht unter eine schwarze Haube setzt, dann wird es nicht leuchten. Und das ist das, was so häufig in der Welt ist und in uns: Das Licht ist in den Menschen, ja auch in uns selbst verdeckt. Und wir fühlen uns kraftlos wie das schale Salz, unzureichend für die Aufgaben in unserer Welt und voller Angst in uns selbst. Das ist das, was die Bibel Sünde nennt, das wir anderes für wichtiger nehmen als eben dieses Licht, das wie ein Schimmer in uns ist. Es ist wohl nötig, daß Jesus das sagt: Nur Mut: Es ist ja das Salz ein weniges, und doch wird alles verwandelt und das Licht leuchtet ja noch. Und durch Christus ist ein Licht in uns gesetzt, das kann eigentlich nicht verborgen bleiben, wie eine leuchtende Stadt auf einem Berge nicht verborgen bleiben kann.

Eine dritte Gemeinsamkeit von Salz und Licht sei genannt, die uns heute nicht mehr so auffällt. Denn unsere elektrischen Lampen scheinen unerschöpflich zu sein. Eine Kerze aber schwindet, indem sie leuchtet. Und das Salz kann nur dann Würze sein, wenn es aufgelöst wird. Wenn man eine Kerze schonen will, dann kann sie nicht leuchten. Sie kann ihre Aufgabe nicht erfüllen. Wenn man das Salz behalten will, dann ist es wertlos. Wenn die Zeit vergeht, so werden auch wir verwandelt wie das Salz und wie die Kerze. Dennoch ist es nicht sinnlos zu leben, ja gerade im Leben, das sich verbraucht, sich verwandeln läßt, sich hineingibt, um Würze zu sein, da ist der Lebenssinn.
Es ist ein Weg, den wir gehen. Jeder von uns ist von Gott geliebt, jeder von uns hat von Gott seine Aufgabe, für bestimmte Zeit in der Welt zu sein. Denn nach Gottes Willen fehlt der Welt ein Körnchen Salz zur Würze des Lebens, wenn wir nicht da sind. Doch indem wir unser Licht leuchten lassen, werden wir verwandelt, die Gestalt vergeht. Wenn wir aber nur darauf bedacht sind, die Jugend festhalten zu wollen und die Besitztümer des Lebens; uns also der Verwandlung verweigern, wird ein Leben sinnlos bleiben, wie es in der Bibel heißt: Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren, wer es aber zu verlieren scheint der wird es gewinnen. Jesus macht Mut: Laßt euer Licht leuchten, stellt es nicht unter den Scheffel. Das dabei aber das Leben vergeht, ist nur die halbe Wahrheit, denn ein anderer Schatz wächst an, ein unverlierbarer, denn wir nehmen Teil am Ewigen, nehmen teil an Gottes Liebe, die uns schuf.

Nun gilt dieses Wort der ganzen Gemeinde, gilt der Kirche. Und hier findet sich die Kirche der Gegenwart wieder: Eine kleine Schar, wie das wenige Salz in der großen Suppe der Welt. Aber es ist wohl wichtig, daß auch wir wenigen Gottes Liebe feiern, wenn wir wenigen in diesem kleinen Dorf Gottesdienst halten. Es ist wie Salz, es ist wie Licht. Und manchmal ahnt man es nicht, was es doch für Wirkungen hat. Als sich in Leipzig eine kleine Schar zum Friedensgebet zusammenfand, war nicht zu ahnen, daß dort die Macht zur gewaltlosen Wende war. Denn getrost können wir sein: Wir müssen gar nicht die Welt umkrempeln. Damit wären wir überfordert. Nur sein, wie wir sind, nur uns nach unserem Vermögen Gottes Licht aussetzen, das leuchtet wie die Sonne, unerschöpflich und Salz sein für die Welt und Licht. Es wird die Welt verwandeln. Der Beginn wird aber wohl immer wieder sein, daß wir uns verwandeln lassen, bescheinen vom Licht Christi.

Kanzelsegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Tilman Reinecke