Predigt zum Heiligen Abend, 24.12.2010

(von Tilman Reinecke) 

TXT: Weish. 18,14-15: Als alles still war und ruhte und eben Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab, vom königlichen Thron.

Liebe Gemeinde!

Wenn wir ein Lied singen, wenn wir tanzen wollen, dann braucht es dafür einen Rhythmus, eine immer wiederkehrende Folge von Taktschlägen. Ja, unser Leben, unser Herz ist so organisiert. Solange wir leben, schlägt es einen Takt. Mal schneller, mal langsamer. Wir Menschen brauchen es, dass unser Leben im Takt bleibt. Das ist von großer Bedeutung, denn unser Lebensumfeld verlangt es eigentlich von uns, dass wir immer gleichmäßig funktionieren, dass ein Tag wie der andere sei, der einzige Takt also das Aufstehen, das Arbeiten, der Abend uns erneuter Schlaf. Aber das genügt nicht, damit werden wir unserem Leben nicht gerecht. Es gibt noch andere Takte, nämlich den Rhythmus von Alltag und Feier. Ein Takt der uns zeigt, dass nicht nur Arbeit und Broterwerb unser Leben ausmachen, sondern wir feiern heute ein Fest, das Wichtigste anscheinend, das es bei uns gibt. Denn ob jemand nun kirchlich ist oder nicht, dieses Fest bewegt alle. Ja es greift sogar über unseren Kulturkreis hinaus, der immer noch ein christlicher ist. Neulich war davon die Rede, dass nun selbst in Japan die Bräuche der Weihnacht sich einbürgern, die Symbole, die uns zu dieser Zeit am Herzen liegen, der Lichterbaum, die Krippe und die Engel und auch: Das Christkind! Ja, wir feiern etwas, indem wir etwas wiederholen.

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind. Und es ist ja das besondere, dass ihr Kinder am heutigen Abend eine besondere Rolle spielt. Für Euch ist es am spannendsten: Ihr habt euch etwas wünschen dürfen: Ihr habt die Erwartung, ein Sehnen danach, dass sich die verschlossene Tür des Weihnachtszimmers öffnet und Ihr dürft sehen, ob sich eure Wünsche erfüllt haben. Und vielleicht dürft Ihr ja heute auch erleben, dass ihr etwas Schönes bekommt, womit Ihr nicht gerechnet habt. Eure Freude überträgt sich auf uns Erwachsene, denn das Schenken hört ja mit der Kindheit nicht auf. Was aber ist es, das wir da feiern? Dazu erzählt uns die Bibel die wunderbaren Geschichten von der heiligen Nacht und von der Geburt Jesu und von der Botschaft der Engel. Wir hören diese Geschichten, wie sie schon unsere Eltern und Großeltern und deren Vorfahren immer wieder hörten. Das alles kann uns anrühren in unserer Seele. Denn es hat in Wahrheit mit uns selbst zu tun. Von einer dreifachen Geburt des göttlichen Kindes ist in der Bibel die Rede: Vor aller Zeit, als das Leben aus der Ewigkeit kam, dann die Geburt Jesu im Heiligen Land vor 2000 Jahren, schließlich aber die Geburt des Gotteskindes in uns selbst. Wenn wir dem nachdenken, dann begegnet uns vielleicht die Frage, was diese Geschichte uns soll, vielleicht denken wir auch darüber nach, wie unsere Welt funktioniert, die aus dem Weihnachtsfest natürlicherweise ein Geschäft gemacht hat. Das mögen wir kritisieren, aber es ist doch auch ein Teil unseres Lebens. Nur eben nicht alles. Denn wenn wir dem Kinde nachspüren, dann können wir ahnen, dass wir eine Vorstellung in unserer Seele tragen, wie eine bessere Welt aussehen würde. Wir haben eine Ahnung von einer heilen Welt, nach der wir uns sehnen.
Es ist die Ahnung und Sehnsucht nach Frieden, Liebe und Geborgenheit und von einem neuen Anfang, der alten Streit hinter sich lässt - es ist der Wunsch nach Versöhnung in der Welt, nach Versöhnung unter den zerstrittenen Menschen und nach Versöhnung mit uns selbst. Und die Botschaft der Engel trifft genau da hinein: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Das bringt jenes göttliche Kind, das in der heiligen Nacht geboren wird.

Im Internet gab es einmal eine Abstimmung, welches Weihnachtslied das beliebteste sei. Es siegte: "Stille Nacht, heilige Nacht". Und das stimmt wohl zu dem Wort, das wie eingangs hörten: "Als alles still war und ruhte und eben Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab, vom königlichen Thron." Wo wir Menschen an unsere Grenzen kommen, da wo die tiefste Nacht um uns ist, wo alles schweigt, da wird ein neues Wort hörbar, das unserer Sehnsucht Recht gibt: Ja, ihr dürft auf Frieden und Versöhnung hoffen: Gott will, dass ihr lebt. Und eure Schmerzen sollen.
Als alles still war und ruhte und eben Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab, vom königlichen Thron, denn euch ist heute der Heiland geboren und: Friede auf Erden. Amen.