Predigt zu Christi Himmelfahrt, 02.06.2011

(von Tilman Reinecke) 

Predigttext: 1. Kön. 8, 22-24.26-28

Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, laß dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.

Liebe Gemeinde!

Das Volk Israel feiert ein großes Fest. Denn Großes ist geschafft. Vierhundert Jahre der Geschichte des Gottesvolkes finden einen krönenden Abschluss. Vom Auszug aus Ägypten an hat das Volk Gottes Begleitung gespürt. Durch viele Höhen und Tiefen hat ER seinen Bund gehalten, durch die Jahre der Wüste und hier im gelobten Land. Und es war Eines immer bei ihnen: Die Bundeslade mit den steinernen Tafeln des Gesetzes. Ein Zelt beherbergte sie auf der Wanderung. Nun war es nach mehr als 10 Jahren der Bauzeit geschafft. Salomo hatte dem Namen des HERRN ein Haus gebaut den Tempel in Jerusalem. Nur die besten Materialien, wertvolles Holz, kunstvoll behauene Steine und viel, viel Gold fanden Verwendung. In feierlicher Prozession wurde nun die Bundeslade überführt in den Tempel. Ein großes Fest! Stellen wir uns das heute vor: Nun ja, vieles wäre ganz anders. Wir haben Krane und viele andere Technik, aber am Schluss würde man sich auch heute sehr freuen. Nur vermutlich würde man Reden halten, in denen die Erbauer einander preisen und die Gunst der Sponsoren. Wir, wir haben es geschafft! Welch ein Wachstum wurde damit erreicht! Und das ist der Unterschied zu unserer Zeit. Kein Selbstruhm! Aber ein Dank an den HERRN, der dies möglich machte und erlaubte, ein sichtbares Zeichen, dass er zu seinem Volk hielt durch die Generationen, durch die Jahrhunderte. Salomo erhebt die Hände zum Gebet, zum Dank an den HERRN! Und das Gebet: Ein Staunen, nicht über das Erreichte, sondern über das Wunder der Größe Gottes und über seine Treue: „Der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen! Wie sollte das Haus es tun, das ich gebaut habe?“ Und dann eine demütige Bitte: Wende dich unseren Gebeten zu, die wir wie Diener sind! Es ist ein anderes Wissen um die menschlichen Grenzen. Was ist mit dem, was wir uns bauen, was wir besitzen in unserem Leben? Festklopfen wollen wir das Erreichte und erleben doch oft, wie unter unseren Händen das zerrinnt, was wir uns geschaffen haben. Und in der Erinnerung des Alten Testamens lebt immer wieder auf, dass Gottes Volk ein Volk von Wanderern ist, immer wieder gibt es einen Aufbruch aus dem selbst gebauten Haus, Wandlungen im Leben. Auf Ewig sollte der Tempel stehen. Keine vierhundert Jahre sollte es dauern, bis zum ersten Male der Tempel zerstört wurde. Bald nach der Zeit Jesu wurde er ein zweites Mal zerstört. Nur die Klagemauer steht heute noch. Und doch gehen die Gebete zu Gott.

Was hat das mit Himmelfahrt zu tun? Es ist eine Erfahrung, die sich im Alten Testament schon zeigt: Wir können Gott nicht festhalten mit dem, was wir bauen, mit dem, was wir tun. Und ein Tempel, ein Haus ist immer nur ein geringes Abbild der Größe Gottes, der sich aus Güte uns zuwendet, Abbild eines anderen Hauses, der ewigen Wohnung Gottes. Mit Jesus Christus kommt etwas ganz Neues in die Welt! In ihm ist Gott gegenwärtig. Der Gott, den aller Himmel Himmel nicht fassen können: In ihm, in einem Menschen ist er da, wie es im Philipperbrief heißt: Er erniedrigte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und wurde ganz wie ein Mensch. Nein, kein festes Haus aus Stein, sondern ein lebendiger Mensch, ja das Leben selbst. Und das Leben erscheint flüchtig und hat doch mehr mit der Ewigkeit zu tun als ein festes Haus. 2000 Jahre redet man von ihm! Wie viele Häuser sind seitdem gebaut worden und wieder abgerissen? Und er wurde selbst zum Tempel, zur lebendigen Wohnung Gottes. Alles auf Erden hat seine Grenzen. Es gibt auch kein unendliches Wachstum. Ja, unsere Vergänglichkeit, unsere Unvollkommenheit – die Bibel nennt es die Sünde – das ist auch unser tiefstes Leid. Doch Christus hat sich auch dem nicht verschlossen, ging den Weg mit uns bis zum Tod. Nur konnte der Tod ihn nicht halten, er ist auferstanden und lebt. Die ganze Welt kann ihn nicht fassen. So kehrt er heim in den ewigen Himmel. Heute wissen wir viel besser als zu Zeiten des Salomo, wie weit und riesig der Himmel ist. Es wäre gut, wenn wir wieder das Erstaunen lernten über die Wunder der Schöpfung. Aber der Blick zum Himmel ist nicht das Wichtigste. Von den Engeln haben wir gehört: Was schaut ihr zum Himmel? Euer Weg ist auf der Erde, ist in eurem Leben, Gottes Gegenwart da zu suchen und zu finden. Ja, das ist zum Teil schwer, weil viel Leid und auch Bosheit uns den Blick verstellen. Und der Blick der Jünger ist ein sehnsüchtiger und wohl auch trauriger Blick, weil Jesus nun nicht mehr sichtbar bei ihnen steht. Doch es ist hier gerade nicht von Trauer die Rede, sondern von einer Verwandlung zur Freude. Jesus hat zu den Jüngern gesagt: Das Reich Gottes ist mitten unter Euch oder aber, wenn man es anders und wörtlicher übersetzt, dann heißt es: „Innerhalb von Euch“.

Jeder, der sich erinnert, weiß in seinem Leben von Augenblicken, in denen er wahre Freude empfunden hat. Mögen diese Momente auch tief verschüttet sein vom Gram des Schicksals, von Angst und von Hass. Mag ein Mensch auch meinen, diese ewige wahre Welt auf ewig verloren zu haben; mag er auch meinen, kein Gott könne sein, der sein Leben wieder zurecht bringen kann. Dennoch scheint in der verborgensten Kammer auch seiner Seele ein Licht. Und wenn der verzweifelte und traurige Mensch an dieses Licht und an Momente seiner Freude denkt, wenn er in seiner Erinnerung dorthin zurück geht und sich darein „er-innert“ und vertieft, dann kann er die Augen erheben. Und es kann uns in solchen Augenblicken Heilung geschenkt werden und ein Segen Gottes.

Ist nicht jene erstaunende und anbetende Stunde die höchste und beste im Leben Salomos gewesen? HERR, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen. Der König wusste wohl um seine Endlichkeit. Aber wir spüren die Berührung mit der Unendlichkeit. Zum Himmel gefahren ist Christus, nachdem er gestorben war und auferstanden ist. So sehr wir auch erleben, dass Lebendiges in uns erstirbt, so kehrt doch das Leben heim zum ewigen Gott. Keine Hoffnung ist vergebens. Geht euren Weg auf Erden. Ihr könnt aus der Trauer erwachen, denn er, der Göttliche ging euch voraus. Es ist kein Mensch auf der Welt, den Gott nicht von Herzen liebt und ihm sein Licht leuchten lässt. Und das Lebendige und Göttliche, das wir erfahren haben, das findet heim, zu ihm, der heimkehrt zum Vater.

Es bleibt uns die Bitte, wie sie Salomo schon sagte: „Wende dich aber zum Gebet deiner Menschen und zu unserem Bitten, HERR, unser Gott, damit du hörest unser Flehen und Gebet heute vor dir.“

Kanzelsegen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.