Predigt zum 6. Sonntag n. Trinitatis, 15.07.2012

(von Tilman Reinecke) 

Predigttext: Apostelgeschichte 8,26 - 39

Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser:»Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.« Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.

Liebe Gemeinde!

Biblische Geschichten begleiten uns lebenslang, reden zu uns, in verschiedenen Zeiten des Lebens könen sie uns auch Verschiedenes sagen. Und diese Geschichte habe ich schon als Kind in der Christenlehre gemocht, denn sie ist zwar wundersam, aber doch klar wie ein Edelstein und sie geht so gut aus. Da in der Apostelgeschichte steht sie zwischen vielen Geschichten, die von der Mission erzählen, davon, dass die christliche Gemeinde wächst und gedeiht – auch gegen die Widerstände, die es in Israel, aber auch von der römischen Besatzungsmacht her gibt. Die Christen nehmen willig Leiden auf sich, aber sie werden auch gestärkt und getröstet.

Wir hätten es doch auch gern so, dass unsere Gemeinden wachsen und gedeihen, aber wir haben eben doch gegenteilige Erfahrungen. Dass Gemeinden schrumpfen, dass Pfarrstellen wegfallen und dies ließe sich lange fortsetzen. Wir können, wollen und sollten auch nicht versuchen, uns diese Situation schön zu reden, als hätten wir neue innovative und wirksamere Strukturen. Auf der anderen Seite hilft es uns aber auch nicht, nur zu klagen, wie eine Strophe aus einem Gesangbuchlied es sagt: „Was helfen uns die schweren Sorgen, hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“ Dann dürfen wir auch sehen, dass es doch auch gute Erfahrungen gibt. Vielleicht wächst ja etwas anderes heran, als wir es uns vorstelle können. Ja, es hat einen richtigen Traditionsabbruch gegeben bei uns. Was ist in der DDR Christenlehrekindern an Gemeinheiten angetan worden sind! Sie wurden im staatlichen Auftrag verspottet. Nur wenig Wurzeln hat das Christliche noch in der Gesellschaft. Dennoch, die Wende wäre ohne die Glaubenden nicht so möglich gewesen.

Aber kehren wir zu unserer Geschichte von Philippus und dem Kämmerer oder Minister der Königin Kandake zurück. Es ist eine Geschichte von einer Taufe am Wege. Viel wird gegenwärtig in der Kirche von der Taufe und ihrer Bedeutung gesprochen. Auch davon, wie die Steigerung der Taufzahlen erreicht werden könnte. Das ist ja auch ein gutes Ziel. Nur ob wir das mit besseren Methoden der Werbung erreichen, ist doch eher fraglich. Denn: Von der Taufe spricht unsere Geschichte ganz anders. Da ist die Taufe nämlich eine Zuwendung Gottes zu einem einzelnen Menschen ganz persönlich. Und da wird gleich klar: Nicht Philippus organisiert die Taufe, sondern Gott selbst. Ein Engel Gottes ist im Spiel, der Geist Gottes spricht zu Philippus. Und auch dem Minister führt Gott die Hände und die Augen, dass er sich die Buchrolle kauft, dass sein Wagen langsam dahin rollt und er lesen kann. Vielleicht spricht das zu uns, dass wir vielleicht doch zu einer anderen Einstellung kommen können? Gott, auch Jesus Christus sucht die Menschen und ruft uns und alle zum Glauben. Vielleicht sollten wir mehr auf ihn hören, uns mehr auf ihn einlassen. Nein, dies ist keine Aufforderung, die Hände in den Schoß zu legen. Aber wir sollten unsere Rolle nicht verkennen. Die weist unser Herr dem Philippus und uns zu.

Da kommt es zu einer menschlichen Begegnung. Philippus begegnet diesem freundlichen Menschen und hört, was der da gerade liest. Das war im Altertum so, da hat man nicht still vor sich hin gelesen, sondern hat sich selbst das laut vorgelesen. Und da sagt dann Philippus den berühmten Satz: „Verstehst Du auch, was du da liest?“ Das ist erstmal schon ganz wichtig. Wir müssen wissen, dass manches nicht so einfach ist, wie wir meinen, dass man vielleicht genau hingucken muss, was irgendwo steht. Das gilt für das Kleingedruckte auf Verträgen ebenso wie für die Bibel. Der Minister antwortet: Tja wie soll ich das verstehen, wenn mich niemand anleitet? Und da steht im Urtext der Bibel ein schönes Wort: „Wie soll ich verstehen, wenn niemand mich auf dem Wege führt?“ Und das ist ja möglicherweise unsere Rolle als Gemeinden, die Aufgabe, die Gott uns zugedacht hat, Menschen auf dem Wege auch zu leiten. Mit sanfter Hand. Nicht zu verführen, aber ihnen ein Geländer für ihren Glauben zu geben, ihre eigene Beziehung zum Ewigen zu finden.

Es geht hier bei dem, was da aus dem Propheten Jesaja gelesen wird, um eine sehr wichtige Stelle. Dass nämlich gerade in seinem Leiden und durch sein Geschick der Knecht Gottes überlebt, das hat die Jünger Jesu bereit gemacht dafür, dass sie dem auferstandenen Herrn begegnen konnten. Und dies Geheimnis zu betrachten, miteinander, mit den Menschen auch ihre Leiden anzuschauen und von Gott verwandeln zu lassen, dessen bedarf es wohl.

Wenn wir einander mehr Wegbegleiter sein könnten und weniger Konkurrenten oder gar Besserwisser, wenn die Schönheit Gottes und des Glaubens sichtbar werden könnte durch das, was wir tun und sagen, das wäre die beste Predigt.

Und dann geschieht es ja, als wenn eine reife Frucht vom Baum fällt: Der Minister will sich taufen lassen, eingetaucht werden mit seiner ganzen Person in Gottes Liebe, in Tod und Auferstehen. Und als das geschieht, da wird Philippus von Gott entrückt. Man hätte sich ja auch eine nette kleine Tauffeier vorstellen können. Aber es geht um etwas anderes, dass wir es auch lernen, zurückzutreten und Gott und Christus das Feld zu überlassen. Das hat vielleicht manchmal einen kleinen Schmerz und es nährt auch möglicherweise unsere Furcht, im Leben zu kurz zu kommen. Aber es gibt doch Geschenke aus Gottes Hand. Er wendet sich uns zu, wenn wir uns auch öffnen zu ihm hin und die Fülle seiner Gaben ist eben doch auch für uns selbst da.

Schließlich aber: Der Minister zieht seine Straße fröhlich. Es hat schon etwas damit zu tun, dass der Glaube an Jesus Christus vielleicht die Verbissenheiten unseres Lebens lösen kann, dass wir heiterer und gelassener werden können. Das kann man nicht erzwingen, aber jener Glaube kann wachsen, dass auch unsere Gemeinden, dass wir auch unseren Weg fröhlich ziehen können, hin zum ewigen Gott, hin zu unserem Herrn.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen