Predigt zum Sonntag Invocavit, 22.02.2015

(von Tilman Reinecke) 

Predigttext: Matthäusevangelium, Kap. 4, 1-11

Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: "Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt." Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen." Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrieben: "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen." Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Liebe Gemeinde!

diesen Text haben wir uns wohl alle mal gemerkt, weil er so eindrücklich und bildreich ist. Und er macht uns betroffen. Er hat Kirchengeschichte geschrieben, denn er steht als Evangelium am Eingang der 40-tägigen Passions- oder Fastenzeit, in der die Christenheit an das Leiden und Sterben Jesu denkt. Es geschieht sogar etwas Eigentümliches gerade in unserer Zeit. Und gerade dies auch über den Rahmen der Kirche hinaus. In den Jahren, in denen die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft abzunehmen scheint, entnehmen ihr viele Menschen die Regel des Fastens, weil überdeutlich geworden ist: Es ist zu viel des Materiellen, was wir in uns hineinfüllen. Der Verzicht erst macht uns dessen bewusst, was wir haben und macht uns in einer Zeit der Übersättigung und Grenzenlosigkeit klar, das alles seine Grenze finden muss. Viele unserer Mitbürger haben etwas, auf das sie in der Zeit vom Aschermittwoch bis zum Ostertag verzichten. Und dies scheint die Geschichte von der Versuchung zu erläutern. Und dann sehen wir, es geht um 40 Tage, es geht um den Verzicht und um den Sieg und die Hinterfragung unserer eigenen Begehrlichkeit, andererseits aber auch um die Erkenntnis dessen, dass wir bei aller Freiheit doch auch angewiesen bleiben darauf, dass uns lebendige Nahrung zur Verfügung steht. Ohne sie ist das Irdische Dasein nicht möglich. Und immer wieder kommt dabei auch heutzutage in den Blick, dass Menschen hungern und verhungern. Und gerade vor diesem Hintergrund wird man auf die Versuchungsgeschichte noch einmal besonders deutlich hören: Wäre es nicht gut, wenn man aus den Steinen Brot gewinnen könnte.
Wenn wir, die wir häufig in den Gottesdienst kommen, diese Geschichte hören, dann wissen wir ja, wie sie ausgeht. Jesus besiegt den Versucher oder den Durcheinanderbringer oder Schädling, wie die Namen des Teufels in der Bibel sind. Diaobolos, Satan. Es ist der Erweis seiner Stärke, Und die ersten drei Evangelien, Matthäus, Markus und Lukas überliefern es ähnlich: Am Anfang, gleich nach der Taufe, vor Beginn seines Wirkens, da gehört sie hin, die Geschichte der Prüfung. Das ist nicht nur bei Jesus so, sondern öfter in der Bibel, da wird derjenige, der Gottes Werk ausrichtet, geprüft. So fügt sich dieses Evangelium ein in de Geschichten von Jesu Werk und Auftrag. Mit Leichtigkeit scheint Jesus die Aufgaben zu lösen, die ihm da gestellt werden. Die klingen werden gleichsam gekreuzt und ich habe noch die Tafel vor Augen, die meine Katechetin uns zeigte. Jesus hält das biblische Wort wie ein Schwert dem Teufel entgegen.

Dennoch, es lohnt, in diese Geschichte tiefer hineinzuschauen, weil sie uns noch mehr zu sagen hat. Als erstes ist von der Wüste die Rede, in die Jesus vom Geist geführt wird, vom Heiligen Geist. Es ist eben nicht harmlos, das Wort Gottes, sondern es geht den Menschen mit ganzem Ernst an. Es ist auch nicht harmlos, weil eigentlich bei genauerem Hinsehen der Teufel Dinge empfiehlt, die durchaus auf Jesu Linie liegen. Aber zunächst ist es die Wüste, die uns in unseren Breiten nicht bekannt ist mit ihrer einsilbigen Schönheit, aber auch mit der Gefahr von Frost und Hitze, Durst und Mangel. Da erlangen vor diesem Hintergrund die Dinge eine andere Bedeutung Brot sieht im Supermarkt ganz anders aus als in einer Wüste. Ebenso ein Krug voll Wasser. In der Wüste, da beginnen die Steine zu reden. Andererseits kann die Wüste auch bitter täuschen. Sie haben alle schon mal etwas von der Fata Morgana gehört, wo den Menschen durch eine Luftspiegelung die Rettung vorgegaukelt wird. Nicht einmal auszuschließen ist, dass den Menschen tödlicher Wahn ergreift. Ja, würde es nicht die Menschheit retten, wenn Jesus der ersten Aufgabe des Versuchers nachkommen würde? Wenn der Hunger besiegt würde. Damit würde Jesus nicht nur für sich selbst sorgen! Sind wir nicht auch von Jesus aufgefordert, das Brot mit dem Wort weiterzureichen. Worin soll denn das Schädliche überhaupt sein? Jesu Antwort: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund." Mit der Aussage: Gebt zu essen und alles ist gut, wird der Mensch vereinfacht und auf einen seelenlosen Leib herabgewürdigt. Denn Satt ist nicht genug, auch die Seele des Menschen sollte angefüllt werden.
Die zweite Versuchung redet vom Gottvertrauen: Wirf dich hinab und es werden die Engel kommen und Dich auf Händen tragen, dass Dein Fuß nicht an einen Stein stoße! Wir haben dies vorhin mit den Worten des 91. Psalms gebetet und sich aufgefordert, Gott über alle Dinge zu fürchten, zu lieben und zu vertrauen. Wenn Menschen mich um die Taufe ihrer Kinder bitten, so überreiche ich meistens einen Zettel mit einer großen Auswahl an Taufsprüchen, Sage dazu Bitte, Sie können nach weiteren Sprüchen im Internet suchen! Aber es ergeht meinen Kolleginnen und Kollegen wie mir: Dieser Vers, Ps.91,11 ist der meistgewählte Taufspruch überhaupt. Denn er wird seinen Engeln Befehl geben und sie werden Dich auf den Händen tragen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stoße.
Ich kann das gut nachfühlen. Wo ist die Falle, die der Teufel stellt? Wohl sollen wir auf Gott vertrauen, aber wir dürfen den Glauben nicht zum Aberglauben machen, zum Instrument unserer Wünsche, zu etwas mechanischem. Das ist ja auch oft das Missverständnis im Fundamentalismus der Religionen. Darum antwortet Jesus an dieser Stelle: Du sollst, den Herrn, Deinen Gott nicht versuchen!
Am Ende steht aber wohl die schwierigste Versuchung: Die Welt erscheint uns so böse, haben wir nicht manchmal den Wunsch, Gott möge dreinschla-gen oder: wenn wir es tun könnten, regieren, wär dann nicht die Welt vielleicht ein bisschen besser? Hat die Welt mit ihrem Glanz nicht etwas absolut begehrenswertes? Und liegt dahinter nicht heimlich und schlau der Teufel? Alles kannst Du haben, nur – ja bitte, das wäre doch gar nicht so schlimm – bete mich einmal an!!! Wie oft machen Regierende, wie oft machen auch wir Kompromisse mit der Macht, wie oft möchten wir es vielleicht besser wissen als Gott?
Weg mit Dir Satan, denn Du sollst Gott dem Herrn allein dienen und ihn anbeten und ehren. Nun hat der Versucher endlich verloren.
Die Dinge, die der Teufel anbot, ja sogar die Hilfe, die er anbot, das hat doch etwas Verwirrendes gerade unter den Bedingungen der Wüste, gerade im Angesicht einer bösen Welt. Was leitet Jesus mit Sicherheit durch das Labyrinth, was kann uns aus der Ratlosigkeit und Unsicherheit herausbringen? Es ist Jesu Vertrauen auf Gott, dass er ihn durch die Gefahren der Lebenswüste leitet durch alle Unsicherheit, die wir erleben. Und am Ende da kommen die Engel und dienen ihm.
Wir können uns wünschen, dass Gottes Engel uns geleite durch die Zeit.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.