Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis, Lesereihe III, 13.06.1999

(von Tilman Reinecke) 

TXT: Matthäus 22, 1-14 
Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. 

Liebe Gemeinde! 
Bei Lichte besehen: An dieser Geschichte scheint einiges nicht zu stimmen! Erstmal: Wo gibt’s das, daß ein König Leute zur Hochzeit seines Sohnes einlädt und - es kommt keiner. Und dann: Eine Hochzeit und von Braut und Bräutigam ist überhaupt nicht mehr die Rede. Dann wird noch mal eingeladen und die Boten werden umgebracht. Verständlich vielleicht, daß der König nun stocksauer ist und den Leuten das Dach über dem Kopf anzünden läßt. Das braucht doch Zeit, Krieg zu führen, aber die Ochsen und das Mastvieh bruzeln weiter, bis die Fremden hereinkommen, die man gerade gefunden hat. Und dann ist da der arme Teufel, ein eher bemitleidenswerter Kerl, der gefesselt an Händen und Füßen hinausgeworfen wird, weil er nicht die richtige Kleidung an hat - wie sollte er denn, von der Straße haben sie ihn doch geholt? Ja, was fangen wir wohl mit einer solchen Geschichte an? Macht sie den Eindruck von Evangelium oder wirkt sie nicht eher bedrohlich?
Wir kommen im Verständnis schon weiter, wenn wir sehen, was Matthäus meinte, als er diese Geschichte aufschrieb. Wenn er die Worte Jesu weitergibt, hat er das Alte Testament im Blick: Gott ist der König des Volkes Israel. Und was geschah in alter Zeit? Vielfach interessierte sich das Volk nicht für seinen König, war taub gegenüber seinem guten Willen, schlug ihn in den Wind. Gott versuchte es immer wieder, das Volk einzuladen zu seinem Reich. Da waren die Propheten, die sein Wort verkündeten. Sie wurden oft mißhandelt, ja oft getötet, denn sie hatten so unbequeme Wahrheiten zu sagen. Und Gott hat auch gestraft. Matthäus steht noch unter dem Eindruck des letzten Strafgerichts, das er zu seiner Zeit erlebte: Im Jahre 70 nach Christi Geburt wurde Jerusalem von den Römern zerstört und geplündert. Er verstand das als die Strafe Gottes, denn sie haben die Hochzeit nicht angenommen. Jesu Hochzeit: Gott wollte sich mit seinem Volk vermählen. Vielmehr haben sie ihn gekreuzigt. Und nun sind alle eingeladen, alle Völker der Welt. Soweit Matthäus in seiner Zeit. In manchem werden wir ihm wohl nicht gut folgen können. Denn wir sehen gerade in deutscher Geschichte, ja auch gerade in diesen Tagen, da der Haß einen Krieg erzeugt hat, welches Unrecht herauskommt, wenn man ein Volk so grundsätzlich verurteilt. Das kann im Sinn Jesu nicht sein. Verständlich wird das eben nur, wenn man auch sieht, daß die ersten Christen von den Juden verfolgt wurden. Aber eines bleibt: Gottes Einladung gilt allen Menschen, gilt auch uns, gilt jedem Menschen, wo immer wir sind, wie immer wir sind.
Wir erleben es eben auch in unseren Jahren, daß es nur wenige interessiert. Das Jahr 2000 wollen sie alle ganz toll feiern, aber daß es um das Jahr 2000 nach Christi Geburt geht, das ist so gut wie vergessen. Leicht kann man nun ins Lamentieren geraten über die böse Zeit. Nur wäre auch das nicht im Sinne Jesu, den Menschen mit der Hölle zu drohen. Aber da ist noch der zweite Teil der Geschichte: Der König sieht sich die Gäste an und findet den einen mit den Straßenklamotten. "Raus mit ihm!" - Man hat viel gerätselt, wie Jesus so etwas sagen kann! Ist er nicht gerade der, der sich der verarmten Existenzen annimmt? Das Bild bedeutet etwas anderes: Gott sieht in das Herz und weiß, daß das innere Kleid nicht der Hochzeit entspricht. Da fühlt sich einer sicher, einfach, weil er im Hochzeitssaal ist. Aber er will im Dunkel bleiben, er hat viel mehr Interesse, dazuzugehören, von den leckeren Speisen zu naschen und den Wein zu kosten, ja, auf seine Kosten zu kommen, für den König interessiert er sich überhaupt nicht. Und damit sind wir selbst viel mehr angesprochen. Es bleibt ja die Frage: Wie halten wir es selbst mit der Einladung? Unser Leben, unser Herz, wie sieht es damit aus? Doch wenn Gott über uns richtet, dann ist das beängstigend, bedrohlich. Aber eben die Angst ist es ja, die uns fesselt an Händen und Füßen, die uns Heulen und Zähneknirschen macht, die uns ins Dunkel stürzt. Denn ehrlich wissen wir in unserem Inneren wohl, wo unsere Mängel sind, wo Gottes Wille uns anspricht. Wie gehen wir mit seinem Willen um? Und mit unseren Mitmenschen? Aber die Mahnungen machen doch nur noch mehr Angst und dann wirft man vielleicht das ganze, alle Religion lieber über Bord, weil man so nicht leben kann, wenn einem keiner hilft.
Wie kann man überhaupt würdig sein für das, was in der Geschichte vom Hochzeitsmahl angeboten wird? Und man kann nicht nur einladen, sondern muß ja auch sagen, wozu. Denn nur, wenn unser Interesse geweckt wird, dann möchten wir einer Einladung folgen. Wer folgt schon einer Einladung, wenn wir wissen, daß uns da nur die gähnende Langeweile und Unlust erwartet? Da gilt es nun, Jesu Botschaft als Ganze zu sehen: Er spricht vom Reich Gottes wie von einem Hochzeitsmahl, von einem Fest, von Früchten, die es da gibt und von der Lust des Lebens. Wenn man die eigene wahre Sehnsucht kennt und auch wahrnimmt, die ganz anders ist als alle Gier, dann ahnt man etwas davon, was Hochzeit sein kann. Heil sein möchten wir und finden doch das Unheil, die Unvollständigkeit in unserem Leben und in der Welt. Und die Sehnsucht nach Heilsein drücken viele Menschen in dem Wunsch nach körperlicher Gesundheit aus. Das ist gewiß berechtigt. Da ist aber noch ein Heilsein in der Tiefe der Seele, wo das Göttliche ist. Und das ist ein Geschenk, wenn es erfahren wird. Christus bietet uns dies Heil als Festkleid an. Es geht dabei übrigens nicht einfach um Mitgliedschaft in einer Kirche, sondern um die Einladung, vom Inneren her ein Vertrauen im Leben zu gewinnen. Das ist oft nicht leicht, doch es bleibt die Einladung an uns, eine Einladung mit offenen Armen an die Verzweifelten und Ungeliebten der Welt und das Ungeliebte in uns selbst. Und dort können wir, kann unsere Welt verwandelt werden. Christus spricht: Das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Kanzelsegen. 
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 

Tilman Reinecke