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Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis, Lesereihe
III, 11.07.1999
(von Tilman Reinecke)
TXT: 5. Mose 7, 6 - 12
Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat
der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern,
die auf Erden sind. Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt,
weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist
das kleinste unter allen Völkern -, sondern weil er euch geliebt hat
und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat.
Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich
erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs
von Ägypten. So sollst du nun wissen, daß der HERR, dein Gott,
allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis
ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten,
und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und
säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So
halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete,
daß du danach tust. Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet
und danach tut, so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die
Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.
Liebe Gemeinde!
Um diesem Text näher zu kommen, müssen wir erst einmal sehen,
daß er eigentlich weit, weit fern von uns ist und fremd. Zeitlich
und auch räumlich. Sonst können wir nur schwer auf ihn hören.
Er gehört uns eigentlich nicht. Lange Jahrhunderte vor Christi Geburt
sind diese Worte Gottes gesprochen zum Volk Israel. Das Jüdische Volk
wurde damals wie heute mit diesen Worten vergewissert: Wir sind das von
Gott erwählte Volk, das Volk des Bundes. Und solche Worte haben sie
zusammengehalten, getröstet durch all das schwere Leid, das ihnen
zugefügt worden ist, auch in diesem Jahrhundert. Du bist das Besondere,
das Einzige. Du, und niemand anders. Und nicht, weil du das Größte
bist, sondern einfach aus Liebe. Der Blick geht zurück nach Ägypten
in das Sklavenhaus: Aus Liebe hat dich Gott dort herausgeholt, wo es dir
schlecht ging. Treu war Dir Gott in der Not, hielt seinen Bund. Und darum:
Halte ihm die Treue, halte seine Gebote. Nicht ohne Drohung ist der Text:
Wohl wird es dir gehen, wenn du dich daran hältst, Strafe wirst Du
leiden, wenn nicht.
Die Zusage gilt dem Volk, aber auch jedem, der dazugehört. Man
kann das nicht auseinanderreißen: Der einzelne ist nicht ohne die
anderen. Aber es ist auch nicht ein Volk ohne jeden einzelnen. Du bist
es, dich meine ich mit meiner Liebe.
Sichtbar hat Gott an seinem Volk damals gehandelt. In den folgenden
Jahrhunderten aber gab es viel Leiden in der Jüdischen Geschichte.
Eigenartig, der Glaube blieb. Obwohl man doch meinen könnte: Die Leute
haben gemerkt, daß da was nicht stimmt, wenn man in Not gerät,
dann zweifelt man doch an Gottes Treue. Und auch politisch ging es dem
Volk schlecht. Doch der Glaube bekam eine neue Tiefe: Es ist nicht das
äußerlich sichtbare, sondern es ist etwas, was dem Augenschein
sogar widerspricht. So hat es wohl Jesus verstehen gelernt und dann seine
Jünger. Nicht das Reich der Welt erobert er. Seine Krone in der Welt
wird die Dornenkrone sein - entgegen allen politischen Erwartungen. Er
aber wird der König eines unsichtbaren Reichs. Und damit wird dann
schließlich auch die Grenze zu allen Menschen geöffnet. Gottes
neuer Bund gilt denen, die von ihrer Seele zu ihm gehören. Und es
ist eine Erwählung, die auf der ganzen Welt den Menschen gilt, die
ihm vertrauen. Und in dieser Weise spricht der Text dann auch uns an. Die
Christen haben diese worte immer im Zusammenhang mit der Taufe gesehen.
Erwählt ist die Gemeinde der Getauften und erwählt bist du, weil
du getauft bist.
Wohl können viele Menschen sagen, wie ihnen Gott in Not geholfen
hat. Jeder mag das für sich sagen, wie seine Geschichte mit Gott ist.
Wenn das nicht wäre, dann gäbe es wohl keinen Glauben mehr und
keine Gemeinde. Das können rein äußerliche Erlebnisse sein:
Bewahrung in Gefahr oder Stärkung in schwerer Zeit. Aber wiederum
darf man sich wohl wieder nicht am Sichtbaren festhalten. Denn ist das
wirklich so, daß Gott den Treuen mit Wohltat vergilt und die Ungetreuen
"ins Angesicht" bestraft? Oft scheint das, was wir sehen, dem eben eher
ins Angesicht zu widersprechen. Dem Gottlosen scheint es oft gut zu gehen
und der Fromme muß leiden. Es sind eben auch Menschen in ihrer Treue
zu Gott geradewegs in ihr persönliches Unglück gegangen. Das
wird schon öfter in der Bibel so gesehen. Was also lohnt es, wenn
man dem treu bleibt, wenn man sich an die Gebote Gottes hält?
Es sind Worte im Predigttext, die davon sprechen: Es ist die Liebe,
die erwählt: Du bist gemeint: Ohne dich will ich nicht sein. Und das
Gebot, das ist nicht ein starres Erfüllen von Gesetzen oder ein verknöchertes
Festhalten an alten überlebten Normen. Man liest den Text falsch,
wenn man darin einen erpreßten gehorsam sieht: Wenn Du nicht tust,
was ich sage, dann werde ich dich nicht lieben. Das wollte Jesus nicht.
Sondern das Gebot ist wie ein Auftrag zum Leben. Denn alle Gebote sind
zusammengefaßt in der Liebe, sind Ausdruck einer Liebe und Treue.
Gutes Handeln erwächst erst in zweiter Linie aus den Geboten. Es ist
die Erfahrung einer inneren Liebe, aus der es quillt. Und dann folgt daraus
ein bestimmtes liebevolles Handeln, das dem Leben dient, und es folgt eine
Treue, die bleibt, auch wenn es schwer wird. Aber das können wir Menschen
nicht machen, sondern es geschieht von Gott her.
Es bleibt allerdings ein Widerspruch: Es ist ja nicht so, daß
es dem, der von Herzen danach lebt, gut geht und dem, der gegen die Stimme
der Liebe handelt, schlecht ergeht. Und immer werden wir diesen Widerspruch
auch weitgehend stehen lassen müssen, weil wir Gottes Willen oft nur
schwer begreifen.
Warum ist die Welt so schlecht? Warum halten sich sichtlich immer weniger
Menschen an Gebote? Ich denke, es hat damit zu tun, daß unsere Welt
oft lieblos ist und oft sind wir es auch selbst. Wo aber Liebe nicht erfahren
wird, wo Gott nicht erfahrbar wird, da sehen die Menschen auch nicht mehr
ein, wem und für was sie überhaupt noch verantwortlich sein sollen.
Doch kann man vermuten, daß der um jeden Preis erstrebte Wohlstand
die Seelen der Menschen leer zurückläßt, mit dem Gefühl,
nicht erfüllt zu sein. Nicht die Religion, die materielle Orientierung
könnte das Opium des Volkes sein, die Betäubung des Gefühls,
daß doch alles sinnlos ist.
Aber die Taufe, das ist: Wir sind eingetaucht und in der Taufe sind
Leben und Tod beieinander, so wie das Wasser belebt, erfrischt und reinigt,
aber auch überflutet und tötet. Und dennoch ist eine Liebe, die
trägt, erfüllt und heilt. Sie geht von Gott aus und geht durch
uns Menschen weiter: Aus Liebe habe ich dich gerufen, erwählt, du
gehörst zu mir, auch in den Tiefen des Lebens, du bist mir heilig,
ich schütze dich. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist
mein. Amen.
Kanzelsegen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Tilman Reinecke
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